Berlin, 26.03.2024

„Ich wünsche mir für die Zukunft, dass die Gesunderhaltung der Patient:innen im Zentrum steht. Und dafür ist ein holistischer Ansatz am besten geeignet.“ Fasste Andrea Galle, Vorständin der mkk (meine krankenkasse) die Debatte zusammen, die am 20.3. vom DAMiD online vier Expert:innen zum Thema Homöopathie und Anthroposophische Medizin zusammenbrachte.

Anlass der Runde war Karl Lauterbachs Vorstoß, Homöopathie und Anthroposophische Medizin nicht mehr als Satzungsleistungen der Krankenkasse erstatten zu wollen. „Das versetzt viele Patientinnen und Patienten in Unruhe“, stellte Moderator Stefan Schmidt-Troschke, Kinderarzt und geschäftsführender Vorstand von GESUNDHEIT AKTIV zu Beginn fest.

Mit ihm diskutierten Dr. Michaela Geiger (Ärztin und 1. Vorsitzende DZVhÄ), Andrea Galle (Vorständin der mkk) und Prof. Dr. Harald Matthes (Professor an der Charité und Leiter des Gemeinschaftskrankenhauses Havelhöhe), die sich auch zahlreichen Fragen der Community stellten.

Entmündigte Patientenschaft

In der Runde herrschte breites Unverständnis für Karl Lauterbachs Initiative. Vor allem die Übergriffigkeit gegenüber den Patient:innen stand im Fokus. Es sei nicht nachvollziehbar, die Patientenschaft zu bevormunden und sich gleichzeitig über mangelnde Gesundheitskompetenz zu beschweren, sagte Stefan Schmidt-Troschke.

Ein ökonomisches Eigentor

Bei Erstattungsfragen geht es natürlich ums Geld. Die von Lauterbach und Co. vorgebrachte Argumentation, durch die Gesetzesänderung dringend benötigtes Geld einzusparen, ergebe keinen Sinn: „Man muss sich vor Augen halten, dass wir in dem Bereich der Homöopathie die Gesetzliche Krankenversicherung finanziell nicht retten werden“, so Andrea Galle.  „In unserer Krankenkasse wären es 550.000€ im Bereich der Homöopathie. Bei einem 2,2 Milliarden-Haushalt in der mkk sieht man schon die Relationen.“  Im Gegenteil sei eine Kostenerhöhung durch die Regelung nicht unwahrscheinlich.  „Wir werden dann teurere Medikamente verschreiben müssen, um den Patient:innen helfen zu können,“ sollten Homöopathika nicht mehr zum Einsatz kommen dürfen, betont Michaela Geiger. Zudem könnten durch Einsatz von Homöopathie erwiesenermaßen 70% der verordneten Antibiotika eingespart werden, wie ihr Harald Matthes beipflichtete. Insgesamt hielten es die Anwesenden für illusorisch, das Defizit von mehreren Milliarden Euro in der Finanzierung der Krankenkassen gerade durch minimale Einsparungen mit hohen Folgekosten erreichen zu wollen. „Ich wünsche mir eine nachhaltige Finanzierungsbasis für die Gesetzliche Krankenversicherung“, hielt Andrea Galle zum Ende hin fest

Evidente Wirkung

In der ärztlichen Versorgung würden die beabsichtigten Regelungen eine schmerzliche Lücke hinterlassen, stellte Michaela Geiger heraus. Das Argument der fehlenden Evidenz konnte in der Runde niemand nachvollziehen „Wir wissen sehr wohl, was wir für welche Indikationen einsetzen. Wir pendeln nicht und arbeiten auch nicht mit Wünschelruten“, drückte es Michaela Geiger zugespitzt aus. Harald Matthes stellte aus wissenschaftlicher Sicht klar, dass Homöopathie in Metastudien als wirksam belegt wurde. Den von Gegner:innen immer wieder geforderten Goldstandard von kontrolliert-randomisierten Studien zum Nachweis der Wirksamkeit erfülle die Homöopathie im gleichen Maße wie konventionelle Medikamente.

Krankenkassen für Gesundheit

„Auftrag einer Krankenkasse ist es nicht, Menschen vorzuschreiben, wie sie ihr Leben verbringen, sondern sie zu unterstürzen, Gesundheitsziele zu erreichen“, brachte Andrea Galle es auf den Punkt. Die mkk gebe 5000€ pro Versicherten für gesundheitsfördernde Maßnahmen und Prävention aus, da die Kernfrage laute: „Wie erhalten wir die Patient:innen möglichst lange gesund?“ Die Antwort darauf konnten alle in der Runde teilen: „Indem wir ihre Eigenverantwortung fördern und die Prävention stärken.“ Es gehe nicht um die Rettung einer bedrohten Szene, sagte Stefan Schmidt-Troschke zum Abschluss, sondern darum, Bürger:innen mit ihrem Wissen und ihren Bedarfen ernst zu nehmen. „Es wäre gut, alle Kräfte zusammenzubringen, die integrativ arbeiten, die den Menschen ganzheitlich anschauen.“ Das sei die beste Investition in ein nachhaltiges Gesundheitswesen, machte Andrea Galle unmissverständlich klar.

Die Debatte konnte ganz deutlich zeigen, wie wichtig die besonderen Therapierichtungen für eine gesunde Patientenschaft sind, und welche Argumente gegen eine Streichung sprechen. Es war wohltuend, eine Debatte zu erleben, die einmal in Ruhe die Hintergründe der Gesetzesinitiative beleuchten konnte, ohne sich in unproduktiven Grabenkämpfen zu verlieren. 

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